Die Deutsche Kolonialgesellschaft in Essen – organisierte Ideologie
Huyssenallee 53
Wie kommen eigentlich die Bilder, die wir „von Afrika“ und den Menschen, die dort leben, in unsere Köpfe ? Zumindest kommen sie nicht von ungefähr. Auch in Essen hat sich unter dem Einfluss namhafter Mitglieder der Essener Stadtgesellschaft die Begeisterung und Lobby-Arbeit für die Kolonien bestens organisiert : Die Essener Abteilung der Deutschen Kolonialgesellschaft. Ihre Mitglieder waren weniger angetrieben von der Faszination für ferne Kontinente und deren Menschen als für deren wirtschaftliche Ausbeutung. Über Jahre hinweg „versorgte“ sie die Essener Stadtgesellschaft mit Vorträgen, die die Bürger und Bürgerinnen von der Wichtigkeit der Kolonien – für die Deutschen wie auch die „unzivilisierten“ kolonisierten Menschen überzeugen sollten. 1905 schaffte es die Essener Abteilung, die Jahreshauptversammlung der Deutschen Kolonialgesellschaft nach Essen einzuladen. Der Saalbau blieb vielen Besuchern hierbei in besonders guter Erinnerung…
SND hist. Soundscape / Stimmen x‑Blende langsam in Gartenfest,
BelleEpoque Musikfarbe
SPRECHER/IN A
Drei Tage lang, vom 13. bis zum 16. Juni – Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, im Jahr 1905 treffen sich in Essen zahlreiche Vertreter der einflussreichen ‚Deutsche Kolonialgesellschaft‘.
Eingeladen hat die umtriebige ‚Deutsche Kolonialgesellschaft – Abteilung Essen‘. Bis zu 400 Mitglieder zählt die Essener Sektion zeitweilig –
eine – für damalige Verhältnisse – bunte Mischung des aufstrebenden Bürgertums ; den Titeln nach : Industrielle und Bankdirektoren, Gerichtspräsidenten, Professoren, Gouverneure, Senatoren, Lehrer, Fabrikbesitzer, Militärs und Afrikaforscher, Theologen und Missionare – und zahlreiche andere.
SPRECHER/IN B
Gesicherte Zahlen von 1910 : Die Deutsche Kolonialgesellschaft verzeichnet in 415 Abteilungen und 170 Ortsgruppen insgesamt 40.000 Mitglieder.
SPRECHER/IN A
Gesellschaftlicher Höhepunkt der Veranstaltung : das Gartenfest – hier – im Saalbau und im Stadtgarten der Stadt Essen – für die Teilnehmenden der Tagung – auf Einladung der Stadtverwaltung.
SND x‑Blende in – Hauch von Musik‘ im Hintergrund – Symphonie Domestica, Richard Strauss
Der Saalbau ist gerade im vergangen Jahr – 1904 – fertiggestellt und mit der Aufführung der ‚SinfoniaDomestica‘ eröffnet worden. ‚Kein Geringerer,‘ wie es allenthalben in Chroniken und Programmzeitschriften heißt, als der Komponist Richard Strauss selbst – steht dabei am Dirigentenpult.
SND – sehr kurze – Symphonie Domestica, Richard Strauss (hist. Aufnahme)
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
Zu einem weiteren Gartenfest lud „Frau – Wirkliche Geheimrat – Krupp auf Villa Hügel ein.“
SPRECHER/IN B
heisst es im Jahresbericht für 1905. DKG, Deutsche Kolonial Gesellschaft – Abteilung Essen
Kurz Hoch : Symphonie Domestica, Richard Strauss
SPRECHER/IN A
Die Stadt Essen hat sich gemacht. Mit kulturellen Ambitionen – und einem geltungsbewussten Bürgertum. Essen wächst auch seit einigen Jahren in der Fläche und entwickelt sich vom prosperierenden Industriestandort – zur echten Großstadt ; Der legendäre Oberbürgermeister Erich Zweigert – betreibt die Eingemeindungspolitik seit – 1897 Altenessen gefolgt von Huttrop, Altendorf und in diesem Jahr – 1905 – noch Rüttenscheid.
Für einen Expansionskurs weit über die grenzen Essens hinaus – vor allem in Richtung Afrika – setzt sich seit 1887 bereits die Deutsch Kolonialgesellschaft ein, die Sektion Essen praktisch von Anfang an – ebenfalls unter Leitung von Erich Zweigert.
SPRECHER/IN B
In einer Schrift ‚Der deutschen Kolonialgesellschaft zu ihrer Hauptversammlung in Essen. Juni 1905‘ heisst es dazu :
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„Am 28. Mai 1890 wurde in einer von Oberbürgermeister Zweigert geleiteten Versammlung die Abteilung Essen der deutschen Kolonialgesellschaft gegründet. Den ersten Vorstand bildeten Oberbürgermeister Zweigert als Vorsitzender, Verlagsbuchhändler Diedrich Baedecker als dessen Stellvertreter und Schriftführer, Bankdirektor Albert Müller als Schatzmeister.“
SPRECHER/IN A
Bankdirektor Albert Müller sitzt kurze Zeit darauf im Aufsichtsrat auch der Sigi-Pflanzungs G.m.b.H – Gesellschaft mit beschränkter Haftung ; eingetragen in Essen – aktiv vor allem in Deutsch Westafrika.
Eine der rund 20 Wirtschaftsunternehmen – die ebenfalls unter dem Namen Kolonialgesellschaft allein im sogenannten Deutsch-Ostafrika aktiv waren. Ein Gebiet doppelt so groß wie das damalige Deutsche Reich – inklusive Preußen im Osten.
SNDs Land/Wirtschaft
SPRECHER/IN B
Agaven, Kaffe, Gold – im großen Stil war alles im Programm, was das Land hergab. Wenn man es sich holt. Die Deutsche Kolonialgesellschaft war der Dachverband für zahlreiche zunächst privatwirtschaftliche Unternehmer, die – fast ausnahmslos – im großen Stil mit Log und Trug, mit Söldnern und unrechtmässigen Verträgen nach Afrika gedrängt haben.
Die offizielle Politik Bismarcks zu der Zeit war ausdrücklich zurückhaltend –
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik“,
SPRECHER/IN A (versuchsweise mit ‚Holger/Bismarck)
„Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik“,
– hatte Bismarck 1883 programmatisch verkündet. Vor allem aber aus Rücksicht auf die Kräfteverhältnisse innerhalb Europas.
SPRECHER/IN B
Zwei Jahre später werden dann aber auch die ersten Wirtschaftsunternehmungen und Raubzüge in Deutsch-Ostafrikas durch die Regierung mit sogenannten staatlichen ‚Schutzbriefen‘ ausgestattet – und praktisch zu Teilen des Deutschen Reich erklärt.
SPRECHER/IN A
Verlagsbuchhändler Diedrich Baedecker, Vorstand und Schriftführer der Deutschen Kolonialgesellschaft – Abteilung Essen –
über den es an anderer Stelle heisst…
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
‚er zeichnet sich innerhalb der Gesellschaft als äußerst engagiert und durchsetzungsfähig aus.‘
SPRECHER/IN A
…widmet sich hingegen eher der Bildung und Ausbildung auch von Jugendlichen im Sinne der Kolonialen Ideologie.
So machte sich die Deutsche Kolonialgesellschaft Essen – auch in Essen daran,
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„die Schule für die koloniale Aufgabe zu gewinnen“
SPRECHER/IN A
und veröffentlichte zahlreiche Lesebücher, unter anderem den Titel „Bilder aus den deutschen Kolonien“, erschienen im Verlag Baedecker.
SPRECHER/IN A
Das Baedekerhaus an der Kettwiger Straße zeugt von der langanhaltenden Erfolgsgeschichte des Verlages – das vor allem mit Reiseliteratur – durch die Epochen – immer den jeweils aktuellen Ton der Zeit und getroffen hat ; mit den ersten Publikationen – Italienreiseführern – den Bildungsbürger angesprochen hat – und mit Afrikaliteratur den Nachwuchs :
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„Am Horizont ziehen Dampfer nach den fernen Gestaden unserer Kolonien. Unsere Jugend soll lernen auch diese als ein Stück des deutschen Vaterlandes zu schätzen…“
SND ozeanisch…
SPRECHER/IN B
Im Jahresbericht 1906. DKG, Abteilung Essen, heisst es zum Thema Beeinflussung :
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„Die Gesellschaft versorgt Schüler mit dem Kleinen Deutschen Kolonialatlas, verbreitet die Deutsche Kolonialzeitung, organisiert Dia-Vorführungen und Ausstellungen.
SPRECHER/IN A
Neben Schulbüchern, Atlanten, Zeitungen und Reiseberichte – bis heute das Kerngeschäft des Baedeker Verlags – versuchte die Deutsche Kolonialgesellschaft die Bevölkerung insgesamt von der Wichtigkeit und Schönheit der Kolonien zu überzeugen. Probates Mittel waren hier offenbar hier die Exotik – einerseits – und die zugleich die Ideologie des Erhabenen – des frühen europäischen, der Deutschen insbesondere.
Die Strategie kommt an, zeigt Wirkung :
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„Über das abgelaufene Berichtsjahr ist zur allgemeinen Kennzeichnung zu sagen, dass das Interesse an den Veranstaltungen der Abteilung in erfreulicher Weise wuchs. Die Zahl der Besucher bei den Vorträgen hat von Abend zu Abend außerordentlich zugenommen und […] war […] das mit dem allgemein wachsenden Verständnis für die hohe Bedeutung von Kolonien für das Deutsche Vaterland auch bei uns ein kräftiges Erstarken des kolonialen Gedankens zu beobachten.“
SPRECHER/IN B
Etwas wesentliches des ‚kolonialen Gedankens‘ ist– mehr oder weniger unverhohlener – Rassismus. Also die Behauptung, des grundsätzlich Anderen – und Minderwertigen – hier, der Afrikanischen Bevölkerung.
SPRECHER/IN A
Im erwähnten Baedeker Band „Bilder aus den deutschen Kolonien“, finden sich Texte über die deutschen sogenannten Schutztruppen und die so benannten Fortschritte in den Kolonien, aber vor allem auch zum „Seelenleben der Eingeborenen“, zur „Erziehung der Eingeborenen zu Arbeit“, über „Art und Charakter des Negers“.
Zu den Autoren der jeweiligen Beiträge zählen vor allem Militärs, Kolonialpolitiker bis zu Missionaren.
SNDs Kruppstraße (Station Bismarckplatz)
SPRECHER/IN B
Das Mitgliederverzeichnis des Deutschen Kolonialvereins, Abteilung Essen, liesst sich wie eine Ausschnitt einer aktuellen Straßenkarte Essens . 100te Straßenschilder und 1000de von Wohn- und Geschäftsdressen halten ihre Namen bis in den Alltag gegenwärtig.
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
Wilhelm Giradet (Giraradetstraße),
Simon Hirschland (Hirschlandplatz) ,
Waldthausen (Waldthausenstraße)
Oberbürgermeister Zweigert, Zweigertstraße
Hollestraße, Scheidtstraße, Grevelstraße, Kerckhoffstraße,
und, nach den Brüdern Krawehl – die Krawehstraße
und, nicht zu vergessen, nahezu selbstverständlich in Essen :
die Kruppstraße…
X‑Blende
SND hist. Soundscape / Stimmen x‑Blende langsam in Gartenfest,
(Zirkelschluss-Element)
Sprecher/IN B
Über Friedrich Alfred Krupp – und über seine Verdienste um die Verbreitung der Ideen des Kolonialen Vereine – heisst es in der Schrift der deutschen Kolonialgesellschaft zu ihrer Hauptversammlung in Essen – Juni 1905
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
„Die frühesten Regungen auf diesem Gebiete sind innig verknüpft mit dem Namen unseres allzu früh dahin geschiedenen Ehrenbürgers Friedrich Alfred Krupp, der den Zielen und Arbeiten deutscher Forscher und Kolonialpioniere tief-gehendes Verständnis entgegenbrachte und Männern wie Gustav Nachtigall und Karl Peters Wohlwollen und Förderung in weitem Masse zu Teil werden ließ.“
SPRECHER/IN A
Siehe auch – Gustav Nachtigall Straße ; Essen.
Eine nach Karl Peters benannte Straße findet man in Essen nicht – nicht mehr ; Karl Peters – auch Hängepeters genannt – als sogenannter Afrikaforscher und ‚Schöpfer Deutsch-Ostafrika‘ wie er sich selber gern bezeichnet hat, wurde nach den ersten privatwirtschaftlichen Expansionszügen
später zum offizieller Reichskommissar für das Kilimanscharogebiet ernannt. Wegen seiner Brutalität vor Ort – und dem, was man heute gerechterweise Kriegsverbrechen nennen würde, fiel er
SPRECHER/IN Z (HOLGER)
‚beim Deutschen Kaiser in Ungnade‘,
SPRECHER/IN A
wie es allenthalben berichtet wird ; als Strafmaß hat das – neben einer unehrenhafter Entlassung aus dem Reichsdienst – auch fast ausgereicht.
Die Karl-Peters-Straße in Essen – bis ins Jahr 2003. Jetzt ist es ein Platz – Bischof Franz Wolf Platz in Essen-Gerschede.
X‑Blende
Gartenfest – Vogelzwitschern etc. / X‑Blende / Straßen/Parklandschaft (ruhige Straße / Zirkelschluss-Element)
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