Was wis­sen wir eigent­lich ? Warum wis­sen wir bestimmte Dinge, wäh­rend andere uns ver­bor­gen blei­ben ? Wohin schauen wir, wenn wir Geschichte betrach­ten ? Den Kolo­nia­lis­mus hin­ter uns zu las­sen setzt vor­aus, dass wir uns mit ihm aus­ein­an­der set­zen und die Stütz­pfei­ler erken­nen, auf denen unser Han­deln, unsere Poli­tik, unser Leben auf­bauen. Was wis­sen wir von den gro­ßen his­to­ri­schen König­rei­chen in Mali, Sim­babwe und andern­orts ? Wir haben die Chance, Ver­bor­ge­nes aus­zu­gra­ben. Wenn wir es wollen.

SND Berg­bau / Sound­scape (light)

SPRECHER/IN JHMAN
In Essen wurde lange – sehr viel – zu Tage beför­dert, aus­ge­gra­ben und ans Tages­licht geholt.
Hier – an der soge­nann­ten Stadt­wunde – ist es – fast eher umgekehrt.

SPRECHER/IN JULIANE
Unter­halb von Essens größ­ter und bun­tes­ter Einkaufsgalerie,
so sieht es aus, ste­hen Stützen.
Buchenholz.
Die Holz­art – eher unty­pisch für Stem­pel und Aus­bau unter Tage.
Im Gegen­satz zu Eiche und Kie­fer – zeigt Buchen­holz – unter Belas­tung – kaum – recht­zei­tig – war­nen­des Knir­schen und Krachen.

SND Holz­ge­kra­che

SPRECHER/IN JHMAN
Der Grund, Buchen­holz zu wäh­len, war wohl ein anderer.

SPRECHER/IN JULIANE
‚Stadt­wunde‘ haben die bei­den Macher – der Esse­ner Archi­tekt Wer­ner Ruh­nau und die Künst­le­rin Astrid Bartels – die­sen grün-erleuch­tete Erin­ne­rungs­raum – genannt.
Die Bau­stämme ste­hen auf auf Stei­nen, die mal Stu­fen waren – und die ursprüng­lich meh­rere Ebe­nen der Stadt mit­ein­an­der ver­bun­den haben.
Im zwei­jäh­ri­gen soge­nann­ten bau­kunst-essen Pro­jekts von 2000 bis 2002 ging es an vie­len Stel­len der Stadt um Kunst und Archi­tek­tur – ganz prak­tisch um die Frage, wie Erin­ne­rungs­orte im Stadt­raum funktionieren.
Ihr Thema war hier ver­bor­gen ; hier, die Adresse, heute : Por­sche­platz 1 ;
Bis 1951 hieß die Straße hier ‚Schwarze Poth‘ –
Und nach der Straße war auch das ‚KZ-Außen­la­ger Schwarze Poth‘ benannt, in dem hier die letz­ten Kriegs­jahre Zwangs­ar­bei­ter ver­pflich­tet und ver­wal­tet wur­den. Schwarze Poth – Num­mer 13 – war die Ver­wal­tung ; unweit das Lager für ins­ge­samt gut 150 Zwangs­ar­bei­ter, die in Essen Trüm­mer und Blind­gän­ger-Bom­ben räu­men mussten.
Das ehe­ma­lige ‚KZ-Außen­la­ger Schwarze Poth‘ ist heute völ­lig überbaut.
Vom Lager­ge­lände – in der Form von 1944–1945 – zwi­schen Schwarze Poth, König­straße, Kirch­straße und Post­al­lee sind nicht ein­mal die begren­zen­den Stra­ßen­na­men erhal­ten – ab 1951 ist alles – nament­lich –in ‚Por­sche­platz‘ aufgegangen.

SND Wirt­schafts­wun­der…
Einen Platz, den es – so – vor­her gar nicht gab.

SPRECHER/IN JHMAN
Das Trüm­mer­feld, das vor dem 2ten Welt­krieg Essens dicht bebaute Innen­stadt war, wurde in der Nach­kriegs­zeit zum Stra­ßen­bahn- und Busbahnhof.

SND hist. Motorengeknatter…
Eben­erdig – und einige Meter tie­fer – als die höher­ge­le­gene Gegend etwa um den Markt­platz herum.
Ende der 1970er Jahre ent­stand – zunächst das Park­haus – dadrauf dann das, was heute Rat­haus Gale­rie Essen heisst – eine über­dachte Ein­kaufs­meile – mir Anbin­dung der Stadtverwaltung.
Vor dem Haupt­ein­gang – die soge­nannte Por­sche Kan­zel – von hier aus konnte man frü­her über den gesam­ten – Bus und Stra­ßen­bahn­hof bli­cken – bis zur Syn­agoge, fast am Horizont ;
und – man konnte – die alte Trep­pen­an­lage der Stadt­wunde – noch über zwei Sei­ten­stie­gen nutzen.
Seit eini­gen Umbau­ten um die Rat­haus Gale­rie sind diese Trep­pen­ver­bin­dun­gen zugemauert.

Die ‚Stadt­wunde‘ ist seit dem kein Durch­gangs- und Erleb­nis­raum mehr – son­dern wird – fast unfrei­wil­lig – zum – mah­nen­den Denk­mal. Eines, das man sehr gezielt auf­su­chen muss. Das dann aber auch ein
bischen rat­los macht – die meh­re­ren Schich­ten von his­to­ri­schen Spu­ren – und von so unter­schied­li­chen Ver­su­chen, damit umzugehen.

Für die ‚Stadt­wunde‘ hat­ten die Macher noch­mal genauer hingesehen.
– Was hier 50, mitt­ler­weile über 65 Jahre lang – mit Erin­ne­rung selbst – gesche­hen ist. Und mitt­ler­weile ist sie selbst – die ‚Stadt­wunde‘ – Teil einer – Erin­ne­rungs­po­li­tik und ‑Pra­xis.
Und jetzt schon wie­der – hier – als Teil des essen.colonialtracks.

SND hist. Sound­scapes 70er, Bau, Unterhaltung

SPRECHER/IN A
Der Namens­pa­tron für den neuen Platz – Fer­di­nand Por­sche – ist heute eher noch für seine frü­hen Sport­wa­gen- Ent­wick­lun­gen bekannt ; Direkt nach den Krieg – war es eher für Volks­wa­gen und die VW-Käfer, die direkt ab 1945 durch Deutsch­land gerollt sind – 1955 bereits der berühmte 1.000.000ste.

SND Wirt­schafts­wun­der VW/​Promo
Fer­di­nand Por­sche war aber auch früh schon Mit­glied der NSDAP und einer Glie­de­rung der SS – Sturm­staf­fel ; Er hatte, lei­tend, für die Kriegs­in­dus­trie Fahr­zeuge pro­du­ziert ; Kübel­wa­gen, Pan­zer, Pan­zer­wa­gen – und spä­ter auch Raketen.

SPRECHER/IN A
Was wich­tig ist – für die ‚Stadt­wunde‘.
Was ist der Zusam­men­hang mit Essen ?

SPRECHER/IN JHMAN
Das Zwangs­ar­bei­ter­la­ger – Schwarze Poth – war – NS-ver­wal­tungs­tech­nisch – zunächst Köln – spä­ter direkt dem Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Buchen­wald bei Wei­mar zugeordnet.
Hier­her und hier­hin kamen auch die etwa 150 Män­ner ; den spär­li­chen Doku­men­ten nach, über­wie­gend aus Russ­land und Polen, Frank­reich, Däne­mark, Bel­gien, Nie­der­lan­den, Luxem­burg wie auch aus Deutschland ;
Das Lager wurde 1945 auf­ge­löst, noch bevor die Alli­ier­ten Essen ein­nah­men. Die Häft­linge wur­den ins KZ-Buchen­wald deportiert.

SPRECHER/IN JHMAN
Was ist der Zusam­men­hang mit Porsche ?

SPRECHER/IN A
Fer­di­nand Por­sche hat wäh­rend des Krie­ges meh­rere – wie es hiess – kriegs­wich­tige – Fahr­zeug­fa­bri­ka­ti­ons­an­la­gen gelei­tet – und – je nach For­schungs­stand – rund 5.000 Zwangs­ar­bei­ter dabei beschäf­tigt. Teil­weise aus Ausch­witz, zum Teil aus Buchen­wald. Allein in den Por­sche Werk Wolfs­burg star­ben – nach ziem­lich dün­ner Doku­men­ten­lage – mind. 500 Zwangs­ar­bei­ter – Män­ner und Frauen.
Zu den ‚kriegs­wich­ti­gen‘ Pro­duk­ten gehör­ten auch die soge­nannte Wun­der- und Ver­gel­tungs­waf­fen – ‚V1‘-Raketen. Vor allem deren Pro­duk­ti­ons­an­la­gen soll­ten vor alli­ier­ten Luft­an­grif­fen geschützt wer­den – und in unter­ir­di­schen Fabri­ken und Berg­stol­len ver­legt werden.

SPRECHER/IN B
In den letz­ten Kriegs­mo­na­ten hat Fer­di­nand Por­sche – dafür sel­ber noch KZ-Insas­sen als Zwangs­ar­bei­ter – aus dem KZ-Buchen­wald ange­for­dert – Sie soll­ten in Eschers­hau­sen bei Holz­min­den die Stol­len im Gebirge aus­bauen, in die er seine Rüs­tungs­pro­duk­tion ver­le­gen wollte.

SND

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