SND hist./atmo./ Soundscapes
Sprecher K
Im November 1884 lädt der Reichskanzler – Otto von Bismarck – ins Berliner Reichskanzlerpalais.
Eingeladen sind führende Politiker der Staaten, die zum Teil seit Jahrhunderten als Kolonialmächte in Amerika, Asien und Afrika verankert sind ; allen voran : Niederlande, Portugal, Spanien, Belgien und Großbritannien ; aber auch Russland ist dabei, Österreich/Ungarn, Dänemark, Frankreich, Italien sowie das vereinigte Schweden-Norwegen.
Sprecher A
Wie selbstverständlich, ohne, dass von den Betroffenen Menschen auch nur ein Vertreter mit am Tisch saß.
Sprecher K
Man kommt zusammen, um zu verhandeln, wie vor allem die Kerngebiete Afrikas untereinander aufzuteilen sein – Gegenstand der sogenannte Kongokonferenz bzw. Westafrika-Konferenz. war die Handelsfreiheit am Kongo und am Niger – also in riesigen Gebieten Afrikas – entlang der beiden – nach dem Nil – größten und längsten Ströme Afrikas – Niger und Kongo.
Ende Februar 1885 Endet die Konferenz mit der Unterzeichnung der sogenannten Kongoakte – durch die beteiligten Staaten.
Der Kongo, die Besitz- und Handelsrechte der damals rohstoffreichsten Gebiete Afrikas, waren damit – kompromissreich aber mehr oder weniger einvernehmlich – aufgeteilt.
Sprecher A
G.N.Uziogwe ist vielfach ausgezeichnete Historiker, UNESO Berater und Geschichtsprofessor ; die Kongokonferenz beurteilt er :
Sprecher Z
„Niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit haben sich die Staaten eines Kontinents zur Aufteilung eines anderen zusammengefunden, eines Erdteils dessen rechtmäßige Herrscher von dieser Aufteilung nicht einmal Kenntnis hatten.“
Der Kolonialismus – auch in Afrika – war allerdings bereits mehrere Hundert Jahre Geschichte – und die Aufteilung des Kontinents unter den Europäern hatte bereits viel früher begonnen :
SND Maritim/Aktion
Im 16. Jahrhundert hatten sich die Portugiesen bereits an den an den Küsten Angolas und Mosambiks – im südlichen Afrika – festgesetzt ;
ab dem 17. Jahrhundert waren es holländische Siedler, die die Kapgegend ganz im Süden Afrikas für sich beansprucht haben ;
und Algerien – im Norden – wurde 1830 von Frankreich „erobert“ und 1861 annektierte Großbritannien Lagos – in Nigeria.
Sprecher K
Jetzt, Mitte der 1880er Jahre, beginnt eine neue Phase im Ringen der alten und neuen Kolonialmächte – Eine neue Phase der Ausdehnung – des Expansionismus.
SND Militärmusik, ‚deutsch‘
Sprecher A
Deutschland bzw. das Deutsche Kaiserreich hat den Ruf, bis dahin vergleichsweise wenig Anstrengungen in dieser Hinsicht unternommen.
Sprecher K
Das Deutsche Kaiserreich war gerade vor einem Jahrzehnt gegründet. – und erst von dieser nationalstaatlichen Neuorientierung heraus entstand auch ein zunehmend aggressives Nationalbewusstsein –
Damit einher gingen auch Bestrebungen – auch kolonialpolitisch mit anderen Nationen gleichzuziehen.
Kurz zuvor – 1883 – hatte Bismarck noch 1883 erklärt :
Sprecher Z
Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik
Sprecher K
Jetzt lädt er zu jener Kongo-Konferenz ein.
Sprecher A
Etwas musste sich getan haben :
Sprecher K
Die Kolonialbewegungen, getragen von Kaufleute, Theologen, Wissenschaftler… und nicht zu vergessen – von Abenteurern – begannen sich, mehr und mehr, auch institutionell zu organisierten ;
verschiedensten Akteurs- und Interessengruppen zusammen übten damit zunehmenden Einfluss, auch auf die Politik des Kaiserreichs aus.
Der Historiker – und Geschichtsschreibungskritiker – Sebastian Conrad unterscheidet hierbei vier sogenannte ‚Argumente‘:
Sprecher A
Erstens :
Sprecher K
Die Handelsinteressen vor allem starker Handelsorganisationen – aber auch privater Kaufleute und Unternehmer : Die Kolonien sollten einerseits Ressourcen liefern und zugleich als neue Absatzmärkte für Produkte aus Deutschland dienen.
Sprecher A
Stellvertretend sei hier Adolf Woermann genannt ; der, seinerzeit, größte deutsche Westafrikakaufmann und mit der Woermann-Linie der größte Privatreeder der Welt :
Sprecher Z
„Es liegt auf der Hand, dass in Afrika zwei große ungehobene Schätze zu finden sind : Die Fruchtbarkeit des Bodens und die Arbeitskraft vieler Millionen Neger. Wer diese Schätze zu heben versteht […], der wird nicht nur viel Geld verdienen, sondern auch gleichzeitig eine große Kulturmission erfüllen.“
Sprecher K
Seine sogenannte Woermann-Linie war die erste und gewinnträchtigste Schifffartslinie zu Nigeria, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, später noch Ostafrika ; Die größten Gewinne haben ihm aber die Truppentransporte der Deutschen Kolonialtruppen beschert, die zur extrem blutigen Niederschlagung der Herero-Aufstände – 1904 – in Deutsch-Südafrika entsannt wurden.
Sprecher A
Zweitens :
Sprecher K
Die Suche nach geeigneten Zielen, um die großen Zahlen deutscher Auswanderer in die USA in ein koloniales „Neu-Deutschland“ umzulenken, aber auch um einer drohen scheinenden Überbevölkerung entgegen zu wirken ;
Sprecher A
Drittens
Sprecher K
…boten die Kolonien die Möglichkeit bzw. die Hoffnung darauf, Konflikte innerhalb des Reichs nach außen zu verlagern – so entstanden Ideen zur Errichtung von Strafkolonien wie auch Stimmen, die „Arbeitsscheue“ und „Vagabunden“ in deutsche Kolonien zu deportieren.
Sprecher A
Viertens
Sprecher K
…erfuhr die Kolonisierung ihre kulturelle Legitimierung durch eine Zivilisierung- und Kulturmission.
Sprecher A
Der Theologe Friedrich Fabri wird zu einer treibenden Kraft der Kolonialbewegung in Deutschland – sein theologisch
Sprecher Z
…Ein Volk, das auf die Höhe politischer Macht-Entwicklung gekommen ist, kann nur so lange seine geschichtliche Stellung mit Erfolg behaupten als es sich als Träger einer Cultur-Mission erkennt und beweist.
Sprecher K
Ob aus tiefster, womöglich christlich motivierter, Überzeugung, oder als strategische Manipulation für das heimische Lesepublikum –
Sprecher A
die Kolonialbewegung inszenierten sich mehr und mehr als zivilisationsbringend, die Afrikaner – und nicht selten die früheren Kolonialmächte – hingegen als Sklavenhalter, zur Ordnung und Selbstkontrolle nicht fähig.
Politik bis Handel, hier war man weitgehend einig : man müsse den Sklavenhandel in den Kolonien bekämpfen oder sogar – die indigene Bevölkerung von ihren muslimischen Sklaventreibern befreien.
Der Legitimations- und Handlungsdruck hatte sich gegen Ende des 19ten Jahrhunderts erhöht – Im Vordergrund stand jetzt auch das Prestiges in der Konkurrenz der Großmächte : Deutschland als „Nachzügler“ müsse jetzt den ihm zustehenden Anteil einfordern.
Sprecher K
1897 – fordert der deutsche Außenminister – Bernhard von Bülow – in einer Reichstagsrede :
SND / Re-enactment/Soundscapes, Zwischenrufe, zeitgenössischer Audioduktus
(Bravo!)
Die Zeiten, wo der Deutsche dem einen seiner Nachbarn die Erde überließ, dem anderen das Meer und sich selbst den Himmel reservierte, wo die reine Doktrin thront
(Heiterkeit – Bravo!)
– diese Zeiten sind vorüber […] Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unseren Platz an der Sonne.
(Bravo!)“
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